Sie hat sich Tulpen gekauft für diesen Sonntag.
Im Gottesdienst wird zum Sonntag Sexagesimä begrüßt. Sie denkt an einen Merkspruch: „In rechter Ordnung lerne Jesu Passion“. Invokavit, Reminiscere, Oculi, Laetare, Judica, Palmarum. Nein, da kommt Sexagesimä nicht vor. Oder der vielleicht: „Quitten müssen junge Kinder roh essen“. Quasimodogeniti, Misericordias Domini, Jubilate, Kantate, Rogate, Exaudi. Nein, für Sexagesimä gibt es keinen Spruch. Die Namen der Sonntage haben ihre eigene Schönheit, aber dass Passionszeit ist, weiß sie auch so.
Kein Trost zu finden. Nirgends im Weltgeschehen. Und wohl auch nicht im Gottesdienst. Erdbeben, ein Schicksalsschlag – anders als der Ukraine-Krieg, heißt es in der Predigt. War im Predigttext nicht von Licht die Rede? Wo ist es, das Licht? Es ist nicht bei den verschütteten Erdbebenopfern. Schicksal? Die aufeinanderstoßenden Kontinentalplatten im Erdbebengebiet, die Umgehung von Bauvorschriften, geschlossene Grenzen für Hilfsgüter, die Berechnungen der Seismologen, Rettung erst mal für die, die den Präsidenten gewählt haben, Korruption – alles Schicksal? Nicht vorhersehbar? Keine Verantwortlichen in Sicht? Alles stockdunkel! Nachrichten hat sie schon gehört.
Sexagesimä. Noch sechzig Tage bis Ostern. Auferstehungen lassen auf sich warten. Und noch ist ja nicht mal Karfreitag. Die Tulpen werden bis dahin nicht halten.