Es ist Sonntag: Gottesdienstzeit. Sie steht am Eingang. Wie immer kommen alle in den letzten drei Minuten. Sie kennt das schon. Und fängt immer zwei Minuten später an. Meist erspart sie damit jemandem das Zuspätkommen.
Seit Monaten – oder sind es schon Jahre? – stehen die Stühle nur noch vereinzelt mit einem Meter fünfzig Abstand im Kirchsaal. Zehn Getreue sitzen dort. Früher waren sie selten weniger als fünfunddreißig. Ein Rückgang von 71 Prozent. Aber das rechnet sie erst später aus. Jetzt freut sie sich über die zehn, sie freut sich auf den Gottesdienst, sie freut sich auf’s Singen, sie freut sich, dass Frau M. da ist und die Kopfhörer auf ihrem Platz funktionieren.
Da kommt noch die Frau mit dem Hündchen, das in so vielen Gottesdiensten brav neben seinem Frauchen in der Tasche neben ihr saß. Die Frau hat die Tasche über dem Arm, das Hündchen läuft ihr voraus. Aber es biegt nicht ein und sie blickt nicht zum Eingang herüber, wo ich stehe und sie erwarte. Eine Minute nach Beginn. Die Frau mit dem Hündchen geht jetzt spazieren. Vorbei, vorbei…